KINDER DER EVOLUTION                           Besinnung   - 9 -
Seit 200 Jahren hören wir die Geschichte von einer Evolution der Lebewesen.
Aus Tieren wurden Menschen. Nach anfänglicher Empörung über diese Behauptung fragen
wir heute: Was ist das Besondere, das uns von Tieren unterscheidet? Beim ersten Blick ist
es
nicht zu erkennen. Manche behaupten, es sei unsere höhere Intelligenz. Doch es ist
die Art unseres Miteinanders. Einige Gruppen Primaten begannen, einander zu
helfen. Sie wurden kooperierende Partner. Einander Hilfe-geben, Hilfeannehmen und
Hilfezurückgeben machten das Leben sicherer. Es tat gut und schenkte eine
besondere Art von Glück und Wohlbefinden. Menschen wurden zu
Persönlichkeiten mit Bewusstsein für Gemeinschaft. Ihr Teilnehmen
am Leben anderer und Neugier erweiterten sie auf Werkzeuge
und Dinge. Körper, Gefühle und Geist veränderten sich.
Es meldete sich die Aufgabe, eine Balance zu finden
zwischen Ich und Du, zwischen zuviel und
zuwenig Nähe. Sie wurde zur neuen
unsichtbaren Arbeit im persönlichen
und gemeinschaftlichen Bereich.

     Wir Menschen schließen uns durch verabredete Bündnisse zusammen, um einander Sicherheit und Wohlergehen zu geben. Es sind lösbare, lockere und feste Verbundenheiten. Es geht um helfenden Austausch durch Geben und Nehmen. Täglich fragen wir: "Wie helfe ich als Partner den Menschen, die mir nahe sind und die ich wertschätze?" Unsere Aufmerksamkeit ist wie die eines Balancekünstlers. Sie ist darauf gerichtet, verlässlich mit einander verbunden zu bleiben. Nerven und Gehirn werden zu einem Verundenheittssinn, der abwägt: 'Ist alles ok in meiner Verbundenheit? Wie geht es mir darin als Mann, als Frau, als Kind?'

     Bei Störungen melden sich Sorge und Unruhe, um das Unwohlsein abzuwehren. Wir wünschen die Rückmeldung: 'Alles ist in Ordnung'. Wir sind prüfende, uns selbst und andere einschätzende Personen. Wir prüfen: Sind mir die Nachbarn 'gewogen'? Bin ich anerkannt, angesehen und werde ich gemocht?' Wir geben einander Hilfe, Zustimmung und Freundlichkeit. Wir geben sie durch Taten, Worte, Geschenke und Rituale. Die Zuneigung kann aber auch ausbleiben. Sie kann gleichgültig werden, sich in ihr Gegenteil verwandeln oder in Auseinandersetzungen und Kampf.

     Leben in Gemeinschaften
    
Gemeinschaften und Partnerschaften sind hochempfindliche, verletzliche Systeme. Verbundenheiten müssen gepflegt und erneuert werden. Sich abzustimmen fordert unseren Geist heraus. Sigmund Freud entdeckte, dass uns neben unseren genetischen Anlagen auch ein unbewusstes Universum bestimmt. In Kindheit und Jugend erschaffen wir dieses im inneren Zwiegespräch mit uns nahen Personen. Es sind unsere geistign Vorstellungen und Bewegungen über die Welt und über uns selber. Wir lernen sie aus Vorbildern, Anweisungen, Forderungen und Erzählungen. Unsere innere Welt ist eine ziemlich stabile Konstruktion, die teilweise auch veränderbar ist. Wir wollen und können keine Tiere mehr sein. Sie leben überwiegend naiv aus ihren genetischen Anlagen. Unsere Interessen aber und das Bewusstsein für Gemeinschaft, Austausch und Partnerschaft machen uns zu Individuen.

     An unserem Lebensanfang beglückte uns das Willkommen unserer Mutter. Egal, ob sie der Zeugung und Schwangerschaft zustimmte oder nicht, bekamen wir das große Willkommen ihres Körpers. Er war uns zugewandt, als wir noch Zygote und Embryo waren und es sagte: 'Herein mit dir. Gut bist du und schön. Ich gebe dir, was du brauchst.' Jeder von uns, der am Leben ist, bekam dies Willkommen und das von Vater und Gesellschaft. Trotz vieler Widrigkeiten und Gefährdungen wuchsen wir und wurden erwachsen. Tief in unserem körperlich-seelischen Urgrund wirkt das primäre Lebenwollen und Urvertrauen. Durch Fürsorge von Eltern und Gesellschaft und unsere eigene Lebenskraft wird es gestärkt. Wir entwickelten ein Selbstbewusstsein und übten uns ein in Verhaltensregeln wie: "Was du nicht willst, das man dir tut, das tu auch keinem anderen."

     Unsere Menschennatur
      Die moderne Wissenschaft befreite von Unwissen, Aberglauben und Torheiten. Sie schenkte das Glück zu wissen, was die Welt, die uns umgibt, ist. Noch schwieriger ist es, zu erkunden, wer wir selbst sind. Wir sind Teil einer phantastishen Wunderwelt und müssen das Ich, das in uns ist, zusammenbauen. Zu erkennen, welche Ernergien sich in uns entfalten wollen, wird von der Ermutigung anderer gestärkt. Seit Kindheitstagen haben wir uns kennengelernt und weiter entwickelt. Wir sind die Geschöpfe des gewaltigen, unpersönlichen Universums und unseres Heimatplaneten. Wenn wir uns das bewusst machen, sind Blitz, Donner oder Krankheiten keine Strafen überirdischer Götter mehr. Wir stammen aus einer unpersönlichen Evolution, die uns ins Leben wirft. Was fangen wir damit nun an? Sind wir mit uns allein? Genetisch gesehen gibt uns die Evolution einige Antriebe mit auf den Weg: Das Vorrangige ist: Am Leben bleiben. Dazu kommen etliche andere: Sich entwickeln, Mann-, Frau-, Kindsein, das Leben Weiterreichen, Erfahrungen Sammeln, das Bewusstsein Entfalten. All die Antriebe gab es schon in der Tierwelt. Sie wurden bei uns weiter entwickelt. Daneben erheben sich nun all die persönlichen Ziele

     Die moderne Kultur lässt uns einer Umwelt, die von Menschen bestimmt sind, aufwachsen. Anonyme, unpersönliche Massengesellschaften wie Staaten, Konzerne, Firmen und Schulen bestimmen die Menschenwelt. In Zusammenarbeit haben haben Menschen Straßen, Eisenbahnen, Autos, Flugzeuge, Telephone und anderes erschaften. Sie machen das Leben bequemer und fördern Gesundheit. Wir werden mehr als doppelt so alt wie unsere Vorfahren. Wir haben uns zu Milliarden vermehrt. All diese Menschen wollen ein gutes Leben haben wie wir. Dies verursacht Probleme, die den ganzen Planeten und das Leben auf ihm verändern. Gewachsene und Balancen verändern sich. Böden, Meere, Luft, Wetter und Klima werden beschädigt. Lebensarten sterben aus. Macht- und Bereicherungs-Streben von Einzelnen und Menschengesellschaften nehmen dies oft in Kauf.

     Aus den genialen Erfindungen und Techniken ergeben sich Gefährdungen für Pflanzen, Tiere und Menschen. Sägen unsere Wissenschaftler, Ingenieure und Compurterexperten mit ihren Arbeiten an dem Ast, auf dem wir alle sitzen? Diese Art Fortschritt wäre gesellschaftliche Dummheit und Kriminalität. Maßloses Machtstreben, Wachstum und Bereicherung fördern solche Entwicklungen. Wer kümmert sich um die Verantwortung für das Ganze des Lebens und der Erde?. Es scheint, als wenn Macht und Bereicherung die Menschenseele bei Einzelnen, Gesellschaften und Staaten korrumpieren. Was lässt uns lernen, damit wir das Maß prüfen. Das Wissen um die Evolution und die Partnerschaften führt auf neue Wege. Wir wählen Möglichkeiten, Maß und Lebensziele auf neue Weise. Auf uns wartet maßvolles Glück, aber auch maßloses Unglück, wenn wir die Realität missachten. Klugheit und und Dummheit warten auf uns.

     In schmerzvollen Lebensphasen fühlen wir uns oft wie Verirrte und Unwissende. Dann suchen wir nach nach Orientierung und Sinn. Die Natur schreibt uns keine Orientierung vor, an die wir uns zu halten hätten. Wir haben die Freiheit, selber zu entscheiden. Welches Gute und Schöne lieben wir, schätzen wir? Welche sind notwendig und ernst? Oft bewegen uns Entscheidungen aus Kindheitstagen. Wenn wir sie überprüfen, öffnen wir die Tür zu bewusstem Wählen. Der Philosoph Immanuel Kant wies an, aufgeklärte, erwachsene Bürger zu werden, die ihre Vernunft gebrauchen. Vernunft ist unser Wirklichkeitssinn. Was rufen wir auf die Bühne unseres Geistes? Liebe und Schmerzen über auferlegte Abschiede von Liebgewordenen machen uns bewusst, was uns im Tiefsten berührt. Sie beglücken und betrüben uns. Sie offenbaren das Besondere unserer Evolution als Partnerwesen, die uns zu Menschen machte.. Werden sie Wegweiser? Mehr als anderes machen sie wissend und weise.

      Wenn wir Menschen bleiben wollen, müssen wir uns uns entwickeln. Wir befragen die Schriften unserer Vorfahren z.B. die Geschichten der Bibel. Sie wollten uns Hinweise geben, wer wir Menschen sind. Die Vorstellung von einem göttlichen Schöpfer als rätselhaftem Lebenshintergrund gibt vielen Kraft zum Leben. So befragen wir Religionen, Kunstwerke, Dichtungen, Musik und die Geschichten der Entdeckungen. Sie erzählen von Liebe und Leidenschaften, von denen Menschen erfasst wurden. Unser Menschsein gibt uns Würde in der biologischen Roille als Mann, Frau oder Kind. In ihr sind wir die Erfolgsgeschichte der Menschenevolution und bringen sie zum Leuchten.

     Nüchterne Wissenschaftler führen uns die phantastische Geschichte der Evolution vor Augen. Inmitten von Nichtwissen und Wirrnissen sind wir berufen, bewusste Wesen zu werden und uns um Partnerschaften zu kümmern. In ihnen erleben wir Glück, Unglück und Sinn. Vor 2000 Jahren wurde Jesus, der noch nichts von einem gewaltigen Weltall und einer Milliarden Jahre dauernden Evolution wusste, nach der grundlegenden Orientierung zum Menschendasein gefragt. Seine Doppel-Anrwort war: "Liebe Gott - und deinen Nächsten wie dich selbst.". Wenn wir uns darauf einlassen, entscheiden wir uns, das primäre Urvertrauen im Mutterleib bewusst zu erneuern. Damit ehren wir die hintergründige Urkraft, die uns täglich leben lässt. Unsere legitime Betrübnis über mannigfache Schmerzen lassen wir am Wegrand unserer Wanderschaft liegen. Wir gehen weiter in Zuversicht und Vertrauen. Wir wagen zu denken, zu staunen und zu sagen: Danke, dir Erde, dir Mutter und Vater, für Dasein und Bewusstsein. Danke für Leib, Seele und Geist. Danke für das Menschsein."

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